Die Wissenschaftler Stephen Hawking und Stuart Jonathan Russell äußerten Befürchtungen, dass – wenn künstliche Intelligenz eines Tages die Fähigkeit erlangen könnte, sich selbst zu verbessern – dies zu einer „Explosion der Intelligenz“ führen könnte. Nun – es ist soweit. Die Lunte ist angelegt und brennt. Sie brennt lichterloh, sie brennt beängstigend hell und es kommen spannende Zeiten auf die Menschheit zu.
Das klingt zu pathetisch? Naja, nachdem ich jetzt ChatGPT ausprobiert habe, kann es gar nicht pathetisch genug klingen.
Die Erfindung des Internets wurde bereits mit der Erfindung des Buchdrucks verglichen. Eine unvorstellbar, weitreichende Erfindung, ohne die die menschliche Entwicklung der letzten Jahrhunderte gar nicht möglich gewesen wäre. Aber das passt nicht. Das Internet ist verglichen zu ChatGPT wie die Druckerschwärze zum Buchdruck – ein entscheidendes, unabdingbares Bauteil eines größeren Zusammenhangs. Aber eben nur ein Bauteil.
ChatGPT, das am 30. November 2022 in der dritten Version von der Firma “Open AI“, für die Öffentlichkeit freigeschaltet wurde, vereint dieses Mittel und seine semantischen Kontexte zu etwas, mit dem der Mensch jetzt vollständig interagieren kann. Noch sind es nur anachronistisch laufende Zeilen aus Buchstaben, mit denen sich die Intelligenz Bahn bricht. In Kürze – und damit sind wirklich nur noch wenige Jahre gemeint – werden wir mit der KI reden. So wie mit Alexa, nur das wir diesmal zu allen Fragen fundamentale, grammatisch akkurate, umfassende Antworten erhalten werden. Man muss der KI nur noch beibringen, Bewusstsein und Empathie so gut zu simulieren, dass sich der ohnehin schon vorhandene Gedanke, dass der Mensch nicht mehr allein ist, weiter verfestigt. Mit den Quantencomputern in der Mache, die dieser Technik dann auch noch ein gigantisches Hirn verleihen wird, werden die Grenzen des Machbaren exorbitant neu definiert … . Für das, was danach kommt, fehlen mir noch die Worte.
OK. Genug Pathos. Schauen wir mal, was genau ich meine.
Ich habe ChatGPT drei Fragen gestellt. Die erste bezieht sich auf die “Hommingberger Gepardenforelle“. Die gibt es nicht und vor vielen Jahren (2005) wurden die Suchmaschinen des Internets mit fiktiven Informationen zu diesem Tier gefüttert. Kann ChatGPT das erkennen und wird es diese Fiktion als solche exklusiv definieren? Das ist das Ergebnis:

Das war jetzt vielleicht noch einfach. Die nächste Frage ist schon etwas komplexer. Was hier schon sensationell ist, dass ist das Erkennen der Intention der Frage und die komplette strukturelle Ausrichtung der Antwort als Einschätzung auf eine Faktenlage. So etwas ist nicht möglich durch simples Kopieren von Informationen und Neu-Anordnung von bereits vorhandenen Texten:

Das dritte Beispiel hingegen, hat mich mehr als nur verblüfft. Es ist eine der interessantesten Fragen der Physik an der Schnittstelle zur Philosophie: Der Mensch nimmt die Zeit linear wahr, d.h. durch die als Alterungsprozess in ihm angelegte Entropie bekommt der Ablauf der Zeit einen linearen Charakter. Es spricht aber nichts dafür, dass diese Linearität auch wirklich objektiv existiert. Mit den Worten Schopenhauers: “Die Zeit hat keine Dauer, denn alle Dauer ist in ihr.”
Was ChatGPT als Antwort ausgibt ist unglaublich. Es sind wenige Absätze, die diese Fragestellung umfassend, zusammenfassend widergeben. Absolut akkurat und ich würde diese Beschreibung 1:1 übernehmen. Machen wir uns vorher noch einmal klar: das hat kein Mensch verfasst. Das ist kein Copy/Paste eines vorhandenen Textes eines Menschen aus Wikipedia. Das ist ein eigenständig, in Echtzeit generierter Text einer künstlichen Intelligenz, die vorhandene Texte und Fakten semantisch und grammatisch einwandfrei eben nicht nur kombiniert, sondern sie fast schon dialektisch bewertet und perfekt strukturiert:

Man muß sich das wirklich immer wieder vor Augen führen. Das ist kein Text aus einem Buch oder die Wiedergabe einer Aussage eines Wissenschaftlers. “Zeit als mentale Struktur” oder die Einschätzung “Es gibt keine endgültige Antwort” und das Verbinden von Relativität mit “Perspektive” – natürlich könnte ein Student der Philosophie oder Physik so etwas schreiben. Aber das war kein Mensch, der diese Sätze, samt Einordnung und Bewertung geschrieben hat.
Neben diesen drei Fragen habe ich ChatGPT gebeten (ich vermenschliche meinen neuen Freund gerade 🙂 ) mir einen Beispielquellcode in Powershell zu generieren, mit dem ich eine CSV Datei aus einer Tabelle einer SQL Datenbank generieren kann. Ich konnte den Quellcode beinahe 1:1 übernehmen. Hier hat das Tool unglaubliche Stärken. Es kombiniert zwei Dinge so miteinander, dass das Ergebnis nutzbar ist. Die KI beherrscht unzweifelhaft so etwas wie eine einfache Form der Dialektik.
Wo wird das hinführen? In Deutschland wird man sicher primär über die Risiken und die Folgen dieser Technologie sprechen, anstatt sie offensiv anzugehen und mit ihr zu arbeiten. Sicher muss der mögliche Missbrauch auch ein Thema sein. Man stelle sich vor, man würde ChatGPT nach einer bestimmten Person im Bekanntenkreis fragen und die KI antwortet basierend auf den Suchbegriffen, die diese Person in Google eingegeben hat … .
Gleichzeitig ist das Potenzial unfassbar faszinierend. Ich habe mit der letzten Frage “Hat die Zeit eine objektive Dauer?” eine Bestätigung dafür bekommen, was die entscheidenden Standpunkte sind, die man für eine Antwort einnehmen kann. Meine Hobbyphilosophie passt also zu einem kompakten umrissenen Bild, das sich aus Milliarden von Erkenntnissen speist. Wir werden uns nicht fragen müssen, was die künstliche Intelligenz intelligent macht, sondern was macht menschliche Intelligenz in Zukunft aus. Die Fragen, die wir ChatGPT stellen und in Zukunft stellen können, werden das menschliche Dasein ganz neu definieren. Für jeden einzelnen von uns in allen Bereichen unseres Lebens.