19. Juli 2022

Als würden die Geiger auf dem Deck der „Titanic“ den Song „Wonderful World“ spielen. Eine Situation voll praktischem Zynismus, noch dadurch gesteigert, dass Louis Armstrong diesen Song beim Untergang des Schiffes noch gar nicht komponiert hatte.

So jedenfalls kommt es mir vor, wenn ich in den Zeiten der Pandemie durch die Stadt zu meinem einsamen Schreibtisch in einem zu 99% verlassenen Bürogebäude fahre. Es ist eine lange Straße, die aus der Fußgängerzone an einem ehemaligen Industriepark vorbeiführt, der durch mehr und mehr Seitenstraßen mit Gewerbegebieten ergänzt wird – Strukturwandel. Beide Richtungen der langen Straße haben Fahrradwege. Ich fahre hinaus aus der Stadt, sie kommt mir auf meiner Seite zu Fuß entgegen und biegt zu ihrem Arbeitsplatz irgendwo in das Gewerbegebiet ab. Genau hier huscht dieses Geschöpf einen jeden Morgen an mir vorüber – zunächst von mir unbemerkt, aber dann auf seltsame Art und Weise mein Interesse weckend. Der Glückliche bin ich, wenn ich einen dieser Momente erhasche, an denen ich ihr alltäglich, aber eben sehr selten in diesen Corona-Zeiten, entgegenkomme.

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