23. Juni 2019

Eine Miniserie basierend auf den Ereignissen, die eine ganze Generation verändert haben. Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ist ein menschengemachtes Menetekel.

Ich kann mich an den April/Mai 1986 noch ganz gut erinnern. Auf unserem Schulgelände wurden Wiesen abgesperrt und der Sand in den Sandkästen wurde ausgetauscht. Niemand wusste etwas Genaues. Denken wir uns also in diese Zeit zurück.

Auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Reaktor-Unglück in Tschernobly erhängt sich der Kernphysiker Waleri Legassow (gespielt von Jared Harris) in seiner Moskauer Wohnung. Zuvor hinterlässt er ein Audiodokument, in dem er den aus seiner Sicht korrekten Ablauf der Ereignisse, die zur Katastrophe von Tschernobly geführt haben und deren Vertuschung darlegt. Auf diesen Tatsachen basiert die beklemmende Miniserie “Chernobyl”.

Legassow wurde am Tag nach dem Unglück als Experte hinzugezogen, um das Ausmaß der Katastrophe zu beurteilen. Und er wird mit einer Mauer aus Vertuschungstaktiken und Kleinrederei konfrontiert. Ihm zur Seite wird Boris Schtscherbina (Stellan Skarsgard) gestellt, stellvertretender Vorsitzender Ministerrates. Auch dieser hohe Funktionär versucht zunächst das Unglück zu relativieren – die Umstände vor Ort lassen ihn jedoch schnell einlenken und er ist in der Lage, die längst überfälligen Maßnahmen vor Ort einzuleiten.

Eine Serie mit akribischer Aufbereitung

Die Serie erzählt akribisch genau den Ablauf des Unglücks, macht die beinahe aberwitzigen Maßnahmen kurz nach dem Unglück deutlich und zeigt die Opfer. Die Menschen, die in den explodierten Reaktor hineingesehen haben oder die Schaulustigen, die auf der “Brücke des Todes” in Prypjat, dem einzigartigen Schauspiel in der Nacht zugesehen haben und direkt der höchsten Strahlung ausgesetzt waren. Aber sie zeigt auch die Helden: Bergarbeiter, die in unmenschlichen Umständen einen Tunnel unter dem Reaktor graben und dort verhindern, dass radioaktives Material das Grundwasser erreicht. Sie bewahren damit das Grundwasser für Millionen Menschen vor einer Kontaminierung.

Ein Held ist eben auch Legassow, der in einem Schauprozess ein Jahr nach der Katastrophe die Beschuldigten zwar nicht entlastet, ihre Vorverurteilung aber eben auch nicht hinnimmt. Er weist auf der eigentliche Problem hin: ein fataler Fehler in der Konstruktion des Reaktors selbst. Damit klagt er den sozialistischen Staat selbst an.

Erst nach dem Tod und der Publikation der Argumentation von Legassow, werden dessen Ansichten erst genommen und die Reaktoren in Russland nachgerüstet.

Die Serie ist ein beeindruckendes Beispiel dafür was passiert, wenn Karrieregeilheit, Uneinsichtigkeit und Egoismus zu fatalen Fehlern führen. Legassow handelt als einziger rational. Und es wird auch deutlich, wie sehr die Verschleierungsmaßnahmen von damals bis heute greifen – bis heute sind die direkten und indirekten Opferzahlen von Tschernobyl nicht bekannt. Die offizielle Zahl: 31 Tote. Man kann der Serie lediglich vorwerfen, dass sie das Unglück visuell sehr stark in Szene setzt. Kleidung, die Raumgestaltung, der Sättigungsgrad der Farben – es ist alles sehr stark in Grautönen gehalten. Auch die Darstellungen der Körper und Gesichter einiger sterbender Arbeiter aus der Unfallschicht wirkt stellenweise wie Dramaturgie um der Dramaturgie willen.

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Details zur Serie bei Wikipedia